Im Rahmen der „Ave Maria – En Plein Air“-Tour machte die finnische Ausnahmesängerin, die mit Nightwish den Symphonic Metal geprägt hat wie keine zweite, am 11.12.2015 in der Christuskirche in Bochum Halt.
Anlass für die Weihnachtstour ist die gleichnamige Veröffentlichung von Tarjas erstem reinen Klassikalbum, auf dem die ausgebildete Opernsängerin zwölf verschiedene Kompositionen von Ave Maria (einem traditionellen Gebet an die Jungfrau Maria, das in über 4000 Liedern musikalisch verarbeitet wurde) darbietet. Das nunmehr bereits fünfte Solo-Album nach Tarjas Ausstieg bei Nightwish spricht somit nicht nur den geneigten Symphonic-Metal-Fan, sondern auch „ganz normale“ Klassikliebhaber an. Entsprechend bunt gemischt war daher auch das Publikum, das schon lange vor dem Einlass um 20 Uhr in einer ansehnlichen Schlange dem nasskalten Wetter trotzte.
Sobald die Türen geöffnet wurden, ging es zunächst alles andere als besinnlich zu. Es wurde gedrängt, geschoben und geschimpft als gäbe es kein Morgen mehr – vielleicht hätten nummerierte Sitzplätze gegenüber der freien Platzwahl dem entgegenwirken können. Der starke Andrang am Glühweinstand zeugte indes schon eher von typischer Weihnachtsstimmung – fast niemand wollte sich mit Kaffee oder gar Kaltgetränken zufrieden geben. Der Saal der heute unter anderem als Veranstaltungslocation genutzten Kirche füllte sich indes erwartungsgemäß ziemlich schnell.
Als dann schließlich die Lichter ausgingen, nahmen zunächst die drei Instrumentalisten (Pianist, Violinistin und Cellist) an ihren Instrumenten Platz, bevor Tarja – an diesem Abend ganz in weiß gekleidet – unter tosendem Applaus die Bühne betrat.
Schon mit dem ersten präsentierten Ave-Maria-Lied – in einer Komposition von David Popper – konnte Tarja die Zuschauer in ihren Bann ziehen. Ihre unvergleichliche Sopranstimme, die besinnliche instrumentale Begleitung , die optisch ansehnliche symmetrische Ausleuchtung des hohen Saals und die sehr gute Akustik der Christuskirche stellten die Grundpfeiler für ein wundervolles Konzert dar.
Recht bescheiden verkündete Tarja relativ zu Beginn des Konzerts: „Das ist meine kleine Weihnachtstour“, ehe sie den Christmas Song zum Besten gab. So klein war die Tour allerdings gar nicht, wenn man sich die lange Schlange vor dem Eingang, das Geschiebe und Gemecker während des Einlasses und die prall gefüllten Bänke im Saal ins Gedächtnis rief. Anders als geplant wurde die Empore, die zunächst den Fotografen vorbehalten war, aus Mangel an Sitzplätzen unten im Saal ebenfalls für das Publikum freigegeben. Mit ihrer voluminösen Stimme erreichte Tarja jedoch mühelos auch die hintersten Bänke und die Empore, von der aus man obendrein einen tollen Blick auf Bühne und Lichtshow hatte.
Nach den ersten drei Songs überließ Tarja das erste und nicht zum letzten Mal an diesem Abend die Bühne dem Trio an den Instrumenten für eine längere Instrumentalpassage. Die gesangslosen mal leicht melancholischen, mal fröhlicheren Stücke wussten ebenfalls zu überzeugen, obgleich sie dem ein oder anderen Metal-Fan womöglich doch einen Hauch zu klassisch daher kamen, wie man den angeregten Diskussionen nach Ende des Konzerts vielerorts heraushören konnte.
Im Verlauf des Abends wandte sich Tarja gezielt an all jene, die von dem Konzert eher rockigere Klänge erwartet hatten: „Das Konzert heute ist sicher anders, als das letzte Mal in Bochum“, aber Touren mit Weihnachtsliedern und Auftritten in Kirchen seien so Tarja wörtlich eine „serious Christmas tradition“ in Finnland, in die sich die Sängerin gerne einreihen wollte – sicherlich auch, um der Öffentlichkeit in Erinnerung zu rufen, dass Tarja eben nicht nur eine exzellente Sängerin im Metal-Bereich war, sondern seit jeher eine starke Verbindung zur Klassik hat, die in den letzten Jahren vielleicht etwas unter den Teppich gekehrt wurde.
Zwischen weiteren Ave-Maria-Covern sprach Tarja die bekannten lateinischen Gebetsverse des Ave Maria und offenbarte obendrein, dass sie wie viele Menschen von einer weißen Weihnacht träume, wozu sie dann auch gleich Bing Crosbys White Christmas zum Besten gab. Im Hinblick auf das Wetter kommentierte Tarja: „Kein schöner Tag heute, ich wünsche euch dennoch frohe Weihnachten!“
Mit einigen weiteren Ave-Maria-Versionen näherte sich das rund zweistündige Konzert auch schon rasant dem Ende entgegen, ehe es zum besinnlichen Ausklang noch die finnische Version von Silent Night und O Holy Night von Adolphe Adam als Zugabe oben drauf gab.
Resümierend bleibt festzuhalten: Fast konnte man meinen, Tarja hätte ein durch und durch klassisches Konzert gespielt, wären da nicht die regelmäßig ertönenden Störgeräusche von umgefallenen Bierflaschen gewesen, die man bei herkömmlichen Klassikkonzerten (zum Glück!) vergeblich sucht. Davon abgesehen überzeugte das Gesamtpaket aus Tarjas Gesangsleistung, der musikalischen Begleitung und der ansehnlichen Beleuchtung aber auf ganzer Linie. Wer hingegen einen gewohnten Tarja-Mix aus Rock, Metal und symphonischen Klängen erwartete, wurde möglicherweise etwas enttäuscht. Da jedoch im Vorfeld bereits bekannt war, dass es ausschließlich klassische Musik auf die Ohren geben würde, darf man sich hierüber nicht beschweren – zur vorweihnachtlichen Einstimmung auf den heiligen Abend war das Konzert genau das Richtige.
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